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Der Brand von Notre Dame de Paris: eine geomantische Tragödie

Das Herzchakra Europas schweigt

Paris, Montag 18:20. - Alarm. Brandalarm.
Voller Sorge wird nach einem möglichen Brand gesucht, aber noch schwelt es im Verborgenen.
Paris, Montag, 18:43. - Alarm. Wieder Brandalarm.
Doch diesmal ist es zu spät - im über 800-Jahre alten Dachstuhl lodern schon Flammen.

Ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit beginnt. Durch die abendliche Rushhour versucht die Feuerwehr zum Brandherd zu gelangen. Die Flammen fressen sich, genährt durch zundertrockene Eichenbohlen unter einer Dachdeckung aus Metall und Blei tief in den Dachstuhl hinein. Sie zerstören die hölzerne Gründung des im  19. Jhdt. aufgesetzten Vierungsturmes. Er hat keine Chance - gegen 20:00 bricht er in sich zusammen. Er hätte dort niemals stehen sollen, jetzt  durchschlägt er das Vierungsgewölbe. Brennende Dachbalken, flüssiges Blei stürzen in das Herz von Paris, in das Herz von Europa. Menschen knien in den Straßen, singen, beten für Ihre Kathedrale.
Nach 8 Stunden Branddauer scheint sicher zu sein: die gotische Struktur hält. Und endlich, am frühen Morgen des nächsten Tages haben die Brandbekämpfer das anfangs für unmöglich gehaltene geschafft: Trotz der enormen Hitze, trotz der Flammen und der Unmengen an Löschwasser: Die meisten Fenster, vor allem die großen Rosen, haben den Brand überstanden, die statische Struktur steht noch, bis auf die völlig zerstörte Vierung.
Nun muss geprüft werden, in wie weit der Augenschein auch tatsächlich Realität ist, denn  vielen dürfte nicht bekannt sein, dass sich im Innern der gotischen Baustruktur Zugbänder aus Eisen befinden. Es ist zu hoffen, dass sie, wie die bleigefasten Buntglasfenster, unbeschadet blieben.
Aber welche Auswirkungen wird diese Tragödie haben?
Wie durch ein Wunder gab es keine Toten, „lediglich“ ein Kulturdenkmal wurde schwer beschädigt.


Wirklich?


Notre Dame de Paris ist für viele nur noch ein Touristenmagnet, ein Kulturdenkmal, durch das täglich Menschenmassen geschleust werden. Doch nehmen wirklich all die Menschen stundenlanges Anstehen unter glühender Sonne oder bei Regen in Kauf, um ein „Kulturdenkmal“ zu besuchen? Die Schlangen vor Notre Dame sind oft länger als am Eifelturm, den Museen, Versailles. Auch die Schlange vor dem „Tresor“, in dem die Kunstgegenstände und Reliquien zu sehen sind, ist immer deutlich kürzer. Es muss also einen anderen Grund geben, warum die Menschen zur Kathedrale strömen. Ich bin mir sicher, auf Nachfragen keine Antwort zu bekommen. Auch wird es den einen oder anderen sicher überraschen zu hören, dass trotz der Touristenströme jeden Tag mehrere Messen im Hauptschiff gehalten wurden, auch in Englisch. Das spirituelle Leben, der Glaube wird hier praktiziert, Notre Dame lebt und ist für den Gläubigen da, für den spirituell Suchenden, denn die energetischen Strukturen sind nicht „tot“. Ich habe es selbst erlebt: Trotz „Warnung“ meines spirituellen Lehrers: “Notre Dame de Paris ist leer, ohne Energie, die abertausenden Touristen haben den Kraftort zerstört, da musst Du nicht hin.“ Ich bin aber doch hin - und war überwältig. Ich wurde in der Tiefe meiner Seele  berührt, als ich nach stundenlangem Anstehen endlich unter der jetzt zerstörten Vierung stand.
Ein Heraustreten aus den Touristenströmen, ein schlichtes Innehalten und ein achtsames Herantreten an und unter den Vierungspunkt, in den Herzpunkt der Kathedrale  … Mehr brauchte es nicht, und schon war ich dort umhüllt von reiner, tiefer Herzensliebe.
Ich stand wahrlich „im Herzen“ von Notre Dame, im Herzen Mariens, Gottes, im Herzen von Paris, von Europa, in meinem. Jetzt verstand ich, was ich hundertmal gelesen hatte: „Notre Dame de Paris ist das Herz Frankreichs“. Notre Dame ist mehr, sie ist der Ort der allumfassenden, bedingungslosen Liebe. Wenn man dies für sich zulassen kann.
Diese Liebe ist es, die die Menschen dort suchen, meist unbewusst. Sie ruft uns, sie lässt uns geduldig warten und wartet selbst auf Dich. Aber diese tiefe Liebe zu ertragen, ist schwer. Und so verstecken wir uns hinter unseren Kameras und sehen nur Kultur und Kunst, Architektur und (Bau-)Geschichte.
Nicht die Touristen sind „schuld“, auch nicht die Kirche oder der Klerus. Die Zeit und unser eigenes Leid haben uns abgestumpft, uns die Muße genommen, innezuhalten. Still zu werden, zu schauen, zu sehen, zu fühlen, zu erkennen. Jetzt bleibt abzuwarten, wie sich der Herzpunkt Europas verändert. Der Ort der Kraft, an und über dem diese wundervolle Kathedrale errichtet wurde, ist immateriell, ist deshalb unzerstörbar. Aber er wird die nächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte, dem Volk, insbesondere den Menschen von Paris nicht mehr für ihr spirituelles Wachstum, für ihren emotionalen Ausgleich und Stärkung  zur Verfügung stehen. Wir sind unserer Mutter, unserer Geliebten, unserer Notre Dame, beraubt. Dies wird Folgen haben, wir werden sie erleben.
Fast 1 Milliarde Euro Spenden sind für den Wiederaufbau bereits zusammengekommen (Stand Karfreitag). Es bleibt zu hoffen, dass nicht verglichen wird zwischen der Spendenbereitschaft für „einen Haufen alter Steine“ und der fehlenden finanziellen Unterstützung von all den Armen und Unterprivilegierten in Frankreich und Europa, der Hilfe für Flüchtlinge und dem vielfältigen Leid von Menschen in der dritten Welt durch Hunger oder Krieg.  Beides bedarf unseres Engagements. Die Unterstützung  hilfsbedürftiger  Menschen ebenso wie die Bewahrung unserer Kulturschätze. Kultur beginnt beim Menschen und drückt sich aus in seinen Riten, seinem Glauben, wird sichtbar in seiner Kunst und in seinen Bauwerken. Eines ist ohne das andere nichts.

Paris, Do., 25.04.; 10 Tage nach dem Brand.
Ich fahre gegen 13:00 von Norden her auf die Île de la Cité zu. In Höhe Centre Pompidou, ca. 1 km Luftlinie zur Kathedrale,  überspült mich eine Welle von Trauer, dann kommt der Schmerz, fast körperlich. Mein Herzchakra geht in Resonanz, es weint. Ich weine auch. Noch habe ich Notre Dame noch nicht einmal gesehen und doch...
Ich fahre nördlich vorbei an der Île de la Cité, jetzt zeigen sich die Türme flüchtig zwischen den Häusern, fremd von Nord ohne das mächtige Dach und doch vertraut.   Auf der Île St. Louis steige ich aus dem Taxi, ca. 500 m entfernt von Notre Dame um anzukommen, mit achtsamem Abstand, ich bin auch sicher, der Raum um die Kathedrale ist abgesperrt. Wie weiträumig wird sich zeigen.
Auf der Pont de la Tournelle dann der erste Blick auf Notre Dame. Er tut weh. Mein Herz fühlt sich an wie eine offene Wunde. Aber Paris lebt seinen Alltag und für die Touristen - ja, fast scheint es, das sie den Brand ausblenden, Verliebte lassen sich vor diesem Hintergrund ablichten, eine Mutter sagt bedauernd zu ihrer Tochter: "Jetzt hat der Glöckner kein zu Hause mehr ..." Und ehrlich ... Wenn man nur auf die Fassade schaut, dann wirkt der Kirchenbau intakt, eingerüstet wie für eine Restaurierung.
Während ich mich vor dem Schmerz immer wieder hinter meiner verstecke, kommt eine Joggerin zur Brücke, sie wird langsamer, bleibt stehen und blickt traurig hinüber zur Kathedrale. Langsam quert sie die Brücke, wendet den Blick nicht ab. Ihr ist die große Wunde, die die Stadt erlitten hat, bewusst. Langsam gehe auch ich weiter, am südlichen Ufer der Seine entlang westwärts zur Île de la Cité.
Touristenströme kommen mir entgegen, strömen über die Pont de l´Archevêché, östlich der Kathedrale.  Ich wandere weiter an der Seine entlang, bin bald parallel zur Kathedrale unterwegs - immer wieder bleibe ich, wie alle, stehen, fotografiere und bin schlicht fassungslos. Unwirklich das was ich sehe: Eine scheinbar unversehrte Kathedrale, kein Schaden ist zu erkennen bis zur Dachtraufe, und dann ist da nichts mehr.
NotreDame2Tief hängen die Wolken, immer ist es kurz davor, zu regnen. Fieberhaft wird an der Notabdeckung gearbeitet, Weitspannträger sind schon montiert, Folien schützen bereits das Hauptschiff. Die Fenster sind eingerüstet, sie werden geprüft, jedes Einzelne.  Ich setze mich in ein Café und ziehe Grifflängen, frage mich mit dem Pendel so durch - Detailliertes geomantisches Ortsinterview siehe unsere nächste Mitgliederzeitung. Hier sei nur erwähnt:
Das spirituelle Zentrum schweigt, das Herzchakra Europas ist schwer verletzt, es ist ganz in sich gekehrt und mit der Selbstheilung beschäftigt.
Öffnest Du Dein Herz, um zu spüren oder in Kontakt zu treten, überfluten Dich Trauer und Schmerz. Also verschließt Du Dein Herz um im Alltag zu funktionieren. Aber wenn alle Herzen schweigen, dann wird es kalt zwischen den Menschen. In Paris gibt es große soziale Probleme, es existiert ein großes Missverhältnis zwischen arm und reich, es kostet enorme Herzenswärme, hier in Frieden zu bestehen. Die Menschen brauchen unsere Gebete und guten Wünsche, damit Sie die Kraft haben, diese schwere Zeit ohne ihr spirituelles Herzzentrum zu überstehen. Noch haben wir die Chance, Schlimmes zu verhindern. Mit unseren Gedanken, Hoffnungen, Gebeten für die Menschen. Das Herzchakra heilt sich selbst. Dies geschieht leichter, wenn der Mensch sich um den Menschen kümmert.
Was ich für unzerstörbar hielt ist schwer verletzt, wurde zertrümmert vom Vierungsgewölbe und dem „heiligen Wald“, dem hölzernen Dachstuhl, die es seit 800 Jahren schützten. Der Vierungsturm, von Eugène Emmanuel Viollet-de-Duc um 1850/60 als „Dachreiter“ aufgesetzt, hat die Katastrophe geschehen lassen. Gebaut aus bleiummanteltem Holz brach er ein und durchschlug das Kreuzrippengewölbe. Falsche Vorstellungen, Phantasien, Phantasmen hatten schwere Folgen - kann man hier vielleicht eine Parallele zum aktuellen Zustand von Europa sehen?NotreDame4
Ich gehe zurück, jetzt kommt überraschend die Sonne heraus, es wird gerade die Folie über dem Chor aufgespannt, ein Kampf gegen den Wind und die Zeit. Schon für den Vormittag war, und für den Abend ist endgültig Regen angekündigt, aber Maria hält ihre schützende Hand über die Sicherungsarbeiten an ihrer Kathedrale.  Wo am Vormittag tief und schwer die Wolken hingen, strahlt nun ein Himmel, blau und weiß. Ein wenig Hoffnung strömt mit diesem Licht in mein Herz.
Für mich wird es Zeit zu gehen, ich muss meinen Zug erreichen.
Mit Sorge verlasse ich Paris. Ich bange um die Stadt, deren Lebensgefühl nun, nach den Anschlägen von 2015 (13.Nov.) einen zweiten, schweren Schlag erlitten hat. Mir ist bange um die Menschen, die einen Teil von sich verloren haben, von dem die meisten gar nicht wussten, dass er zu ihnen gehört. Diese Erkenntnis kann der Schlüssel sein, den Wert des Verlorenen wieder zu entdecken. Vielleicht hilft diese Erkenntnis, miteinander - egal wie arm, reich oder aus welchem Heimatland - die Kathedrale wieder aufzubauen, um dem dann gesundeten, neu erstarkten Herzchakra seinen Raum zurückzugeben, damit es kraftvoll die neue Zukunft von Paris, von Frankreich, von Europa durchstrahlen kann.